„Weil da was sein könnte“

 

Wasser, das in Zainingen in einen Erdfall fließt, tritt 18 Kilometer entfernt im Blautopf wieder zu Tage. Das haben Färbeversuche ergeben. Andreas Kücha ist die direkte Luftlinie etappenweise mit einer Kamera-Drohne abgeflogen: über Wälder, Wiesen, Felder und Gehöfte. Den Film hat der Projektleiter der „Arbeitsgemeinschaft Blautopf“ bei Vorträgen zugunsten der Aktion 100 000 der SÜDWEST PRESSE am Samstag in Blaubeuren und am Sonntag in Neu-Ulm vor jeweils rund 800 Zuschauern gezeigt.

    

 

 

Bei Blaubeuren-Wennenden ist aus der Luft in einem Feld eine Delle zu erkennen. Gut hundert Meter darunter befindet sich der „Versturz 3“ der Blautopfhöhle, auch Blauhöhle genannt. Vor mehreren hundert Jahren ist dort das Gelände eingebrochen. Den Forschern der „Arge Blautopf“, die von Blaubeuren aus in Richtung Zainingen vordringen wollen, versperren gewaltige Steinblöcke den Weiterweg. Bezeichnungen für die innerhalb des Versturzes entdeckten kleinen Räume wie „Folterkammer“, „Damoklesschwert“ oder „Himmelfahrtskommando“ zeugen von den mühsamen Versuchen, unter und über Wasser weiter vorzudringen.

Andreas Kücha und Kameraden waren im vergangenen Jahr acht Mal dort. Die Strecke vom Forschungsschacht an der Blaubeurer Steige (B 28) bis nach hinten ist 2950 Meter lang. Die Forscher müssen klettern, sich durch Engstellen zwängen und über Seen paddeln. Entsprechend hoch ist der Kalorienverbrauch. Forscherin Denise Kücha, Ehefrau von Andreas Kücha, hat bei einer Zwölf-Stunden-Tour 3712 Kalorien verbraucht, gemessen mit einem Gerät am Handgelenk. Zum Vergleich ließen die Forscher einen „Freiwilligen“ vier Minuten lang in der Halle auf einem Hometrainer strampeln. Verbrauch: 23 Kalorien, hochgerechnet auf zwölf Stunden wären das 4140 Kalorien. Das verdeutliche die Anstrengung, meinten sie. Könnte der „Versturz 3“ geknackt werden, würden die Touren in Richtung Zainingen noch länger werden. Denn es fehlen noch 15 Kilometer.

Auch wenn’s in Richtung Westen gerade nicht weitergeht, finden die Forscher immer wieder „Neuland“. So unter Wasser vom Blautopf aus im „Schwarzen Kamin“ und in der „Seißener Unterwelt“. Dieser in Richtung Seißen ziehende Ast ist nur zu erreichen, indem ein Siphon durchtaucht wird. Das bedeutet, die Tauchausrüstung rund drei Kilometer weit nach hinten zu transportieren. „Da darf nichts kaputt gehen, der nächste Tauchshop ist weit“, sagte Werner Gieswein, der die Seißener schon mal vor weiteren Vorstößen seiner Gruppe warnte: „Macht den Klodeckel zu, man weiß nie, wann einer von uns rauskommt.“

Als die „Arge Blautopf“ 1997 auf den Spuren von Jochen Hasenmayer mit den Forschungen begann, führte der einzige Weg in die Blauhöhle über den Blautopf. Trotz des inzwischen gebohrten trockenen Zugangs wird immer noch getaucht und unter Wasser geforscht. Andreas Kücha zeigte den neuen Film „Tauchflug in die Tiefe“, der während des trockenen Sommers bei geringer Schüttung entstand. Es ist eine Fahrt vorbei an Tropfsteinen und über Dünen mit beeindruckenden Aufnahmen. „Das ist die Raumfahrt des kleinen Mannes“, sagte Kücha. Die Schwierigkeit in der Blauhöhle sei das ständige Auf und Ab, erläuterte Werner Gieswein. Es geht hinab bis in 45 Meter Wassertiefe. Um einem Tiefenrausch vorzubeugen, atmen die Taucher synthetische Gase.

Rettungsaktion nur zur Übung

Alle sind ehrenamtlich tätig. Für die Professionalität der Arge-Mitglieder spricht die Tatsache, dass es nie größere Zwischenfälle gab. Ein Großeinsatz der Höhlenrettung Baden-Württemberg vergangenen Sommer diente einer Übung, um eine verunfallte Forscherin, so die Annahme, zu retten. Ein Film machte die große Anstrengungen deutlich. Alle waren am Ende erschöpft und mit Lehm überzogen.

Warum bewegt man sich dort, wo alles dunkel, nass, kalt und dreckig ist? Bergsteiger antworten auf die Frage, warum sie auf Berge klettern, ganz einfach: „Weil sie da sind.“ Werner Gieswein gab die Antwort für die Höhlenforscher: „Weil da was sein könnte.“ Was da ist, sahen die Zuschauer in Blaubeuren und Neu-Ulm zum Abschluss in einem beeindruckenden Film von Oliver Schöll: Höhlenseen, Hallen, Gänge, Mineralien und Tropfsteine in allen Formen.

 

 

BLAUHÖHLENSYSTEM BALD 15 KILOMETER LANG

Verein Die „Arbeitsgemeinschaft Blautopf“ besteht aus 21 Mitgliedern, Dachverein ist die Höhlenforschungsgruppe Ostalb/Kirchheim. Die Forscher sind zwischen 28 und 60 Jahre alt. Aufgabe der Zukunft sei, junge Forscher einzubinden, sagt Vorsitzender Andreas Kücha.

Länge Das Blauhöhlensystem, das aus der Blautopfhöhle und der Vetterhöhle (betreut vom Höhlenverein Blaubeuren), besteht, ist mit allen Verzweigungen bisher auf eine Länge von 14,6 Kilometern vermessen worden. „Wir werden dieses Jahr das 15-Kilometer-Fest feiern können“, kündigte Andreas Kücha an.

 

Quelle: SWP 

 Blaubeuren / Joachim Striebel 28.01.2019

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